Artgerechte Hühnerhaltung bedeutet ohne jede Diskussion Freilandhaltung. Hühner lieben es, sich tagsüber im freien auf der grünen Wiese zu bewegen, Gras zu fressen und in der Grasnarbe nach Käfern und Regenwürmern zu scharren oder gelegentlich ein Sandbad zu nehmen. Das war schon in unserem Obstgarten zu Zeiten meines Großvaters so.
Nur heute ist die Aufgabenstellung eine andere, zumindest wenn jemand wie ich das Ziel verfolgt, dass die industrielle Hühnerhaltung langfristig zurück geht und diesen Platz viele kleine regionale Betriebe der bäuerlichen Landwirtschaft wieder zurückerobern.
Mein Großvater hat in Freilandhaltung ca. 30 – 40 Hühner im Obstgarten mit ca. 1.000 m² gehalten. Das hat funktioniert, weil der Besatz in einem sehr guten Verhältnis zur angebotenen Fläche stand. Nur leider ist mit ca. 35 Eiern am Tag und dem daraus resultierenden Ertrag heute niemand davon zu begeistern, wieder in die Hühnerhaltung einzusteigen. Also müssten die Bestände größer sein, denn der Markt dazu ist überall vorhanden. Wenn wir aber die Anzahl der Hühner erhöhen, erhöht sich auch die benötigte Freilandfläche. Nun genau da liegt das große Problem eines konventionellen Hühnerstalls, denn Hühner verlassen aus Angst vor Ihren natürlichen Feinden wie z. B. Fuchs, oder Habicht nur maximal 50 Meter weit ihren Stall, was damit die Größe der tatsächlich genutzten Freifläche deutlich einschränkt.
Bereits 200 Hühner verwandeln einen 50 Meter großen Bewegungsradius einer gut bewachsene Wiese innerhalb von wenigen Wochen in eine Fläche, auf der über Monate nichts mehr wächst. Das saftige Grün wird abgefressen und jede einzelne Wurzel feinsäuberlich aus dem Boden gezogen, bis absolut nichts mehr zurück bleibt.
Das ist auch der Grund, warum so genannte Freilandeier oder Bioeier nichts mit den Abbildungen auf den Eierschachteln zu tun haben, auf denen glückliche Hühner auf einer grünen Wiese zu sehen sind.
Einer von hunderten industriellen Erzeugern von Freilandeiern ist z. B. die Firma Thale / Schwagstorf. Geben Sie einfach auf Google Maps einmal Thale / Schwagstorf ein und wählen Sie die Satellitenansicht. Dann sehen Sie direkt neben dem Verpackungsbetrieb zwei über 100 Meter lange und ca. 30 Meter breite Hühnerställe von Freilandhühnern. Trotz bester Bildauflösung können Sie jedoch kein einziges Huhn entdecken. Dafür sehen Sie aber um beide Ställe herum einen kahlen Streifen, auf dem nichts mehr wächst und nach 30 – 40 Metern beginnt wie von Zauberhand die Vegetation und die grüne Wiese.
Tierschützer, die das Verhalten der Hühner nicht kennen, behaupten oft, dass Betreiber von industriellen Freilandställen die Hühner nicht nach draußen lassen, damit Sie höhere Eierleistungen erzielen. Aber das ist in Wirklichkeit gar nicht nötig. Die Hühner haben die Möglichkeit ins Freie zu gehen, denn die Auslaufklappen sind vorschriftsmäßig geöffnet. Doch sie haben keinen Grund den Stall zu verlassen, denn vor dem Stall gibt es nichts als Wüste ohne Gras. Nahrung und Wasser zumindest nicht in dem Bereich, den sie erreichen können. Deshalb bleiben Sie im Stall, wo sie rund um die Uhr mit reichlich Kraftfutter versorgt werden und Wasser bekommen. Im Gegensatz zur Bodenhaltung, bei der Hühner ihr ganzes Leben lang in einem kompletten, geschlossenen Stall ohne Tageslicht mit Zwangsbelüftung stehen, kann der Erzeuger von industriellen Freilandeiern zumindest mit gutem Gewissen behaupten, dass die Hühner ins freie gekonnt hätten. Und so erhält er von gutgläubigen Verbrauchern für angebliche Freilandeier deutlich mehr Geld, als für Eier aus der Bodenhaltung.